Corona-Pandemie - arbeitsrechtliche Fragen
Das Coronavirus hat nicht nur massiven Einfluss auf das öffentliche Leben, sondern auch auf die Arbeitsverhältnisse nahezu aller Menschen. Antworten auf wichtige arbeitsrechtliche Fragen in diesem Zusammenhang stellen wir im Folgenden dar.
Fragen rund um Ansteckungsgefahr und Erkrankung
Darf ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zurückhalten, weil er befürchtet, sich am Arbeitsplatz oder auf dem Weg dorthin anzustecken?
Nicht erkrankten bzw. unter Quarantäne stehenden Arbeitnehmern steht trotz grassierender Viren kein allgemeines Zurückbehaltungsrecht zu. Die Mitarbeiter haben daher am Arbeitsplatz zu erscheinen, ihre arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen und den Weisungen des Arbeitgebers zu folgen, soweit diese nicht gegen gesetzliche oder behördliche Bestimmungen verstoßen.
Sind Arbeitnehmer verpflichtet, Arbeitgebern eine mögliche Ansteckungsgefahr zu melden?
Kurz gesagt: „JA“. Erstens können und müssen Arbeitgeber nicht wissen, wo ihre Mitarbeiter sich außerhalb des Dienstes aufhalten und ob sie sich einem Infektionsrisiko ausgesetzt haben. So wie Arbeitgeber jedoch eine Fürsorgepflicht gegenüber der Belegschaft zu beachten haben, trifft jeden Mitarbeiter eine Treuepflicht, aus der sich in diesem Fall eine Mitteilungspflicht herleiten lässt.
Wer ist der erste Ansprechpartner, wenn im Betrieb ein Infektionsfall auftritt?
Arbeitgeber sind verpflichtet, organisatorische Maßnahmen zu treffen, einen Verantwortlichen zu benennen und diese Informationen zu kommunizieren, sinnvollerweise gemeinsam mit dem Betriebsrat, der Vertrauensperson der Schwerbehinderten und dem Betriebsarzt. Im Infektionsverdachtsfall ist sofort das Gesundheitsamt einzuschalten, das dann für die nächsten Schritte zuständig ist und auch Maßnahmen und Weisungen erteilt.
Welche weiteren arbeitsrechtlichen Folgen ergeben sich bei einer Erkrankung mit dem Coronavirus?
Voraussetzung für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei einer Erkrankung ist immer ein Bestand des Arbeitsverhältnisses von mindestens vier Wochen sowie eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit. Ein Verschulden wird jedoch nur im Ausnahmefall nachzuweisen sein, z. B. wenn der Mitarbeiter aus privaten Interessen eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes nicht beachtet hat oder grob fahrlässig gegen sonstige Sicherheitsmaßnahmen verstoßen hat.
Welche Konsequenzen können Arbeitgeber ziehen, wenn Arbeitnehmer beispielsweise Versammlungsverbote oder Hygieneregelungen nicht befolgen? Arbeitnehmer haben behördliche wie auch Arbeitsanweisungen zu befolgen. Wird dagegen verstoßen, kann das übliche Instrumentarium der Rüge, der Abmahnung(en) und der Kündigung bis hin zur fristlosen Kündigung zum Einsatz kommen.
Fragen rund um Reiserückkehrer und Urlaub
Ist es zulässig, Arbeitnehmer gegen ihren Willen von der Arbeit freizustellen, wenn diese aus einer gefährdeten Region zurückkehren oder ein anderweitig begründetes Infektionsrisiko besteht?
Diese für die Praxis wichtige Frage lässt sich pauschal nicht eindeutig beantworten. Eine einseitige Freistellung ist Arbeitgebern immer dann erlaubt, wenn diese Maßnahme keinen diskriminierenden Charakter hat, sondern sachlich begründet ist. In der aktuellen Situation müssten sie einen begründeten Anlass für die Annahme einer Infektion des Mitarbeiters mit dem Coronavirus haben, selbst wenn ihr Mitarbeiter sich für gesund hält. Das berechtigte Freistellungsinteresse des Arbeitgebers überwiegt das Beschäftigungsinteresse des Mitarbeiters umso mehr, wenn Arbeitgeber nachvollziehbar darlegen können, dass von dem betroffenen Arbeitnehmer eine Gesundheitsgefahr für andere Mitarbeiter oder für dritte Personen ausgeht, insbesondere wenn sie gegenüber diesen dritten Personen eine besondere Schutzfunktion ausüben, wie z. B. in einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung. Fällt diese Interessenabwägung zulasten des Mitarbeiters aus, dürfen Arbeitgeber der betroffenen Person den Zugang zum Betrieb oder zum Arbeitsplatz verweigern, bis eine Gefährdung ausgeschlossen oder die Arbeitsfähigkeit des Mitarbeiters nachgewiesen ist.
TIPP Im Falle einer einseitigen, vom Arbeitgeber veranlassten Freistellung, insbesondere bei einem ungeklärten Gesundheitszustand, behält der Mitarbeiter seinen vollen Vergütungsanspruch.
Dürfen Arbeitgeber immer eine betriebsärztliche Untersuchung eines aus dem Ausland zurückgekehrten Mitarbeiters anordnen?
Das Recht einer Anordnung nach einer Reise, aber vor Arbeitsantritt den Betriebsarzt aufzusuchen, besteht nur im Einzelfall, sofern der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse geltend machen kann. Normalerweise hängen die Hürden dafür recht hoch, aber in der aktuellen Situation wird das Persönlichkeitsrecht des betroffenen Mitarbeiters im Rahmen einer Interessenabwägung zumindest dann in den Hintergrund treten, wenn er sich zuvor in einer besonders gefährdeten Region oder gar in Ländern aufgehalten hat, für die eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes ausgesprochen wurde. Das Interesse des Arbeitgebers ist umso höher zu bewerten, wenn er nicht nur seine Belegschaft zu schützen hat, sondern gegenüber anderen Personen wie z. B. Patienten, Fahrgästen oder Schülern eine besondere Schutzfunktion übernimmt.
Haben Mitarbeiter, die z. B. aufgrund einer Reisewarnung eine geplante Urlaubsreise nicht antreten, Anspruch darauf, die genehmigten Urlaubstage zurückzuziehen?
Ob eine Urlaubsreise angetreten werden kann oder nicht, liegt allein im Risikobereich des Arbeitnehmers, daran ändert auch der Ausbruch des Coronavirus‘ nichts. Das Bundesurlaubsgesetz (BurlG) sieht keinen gesetzlichen Anspruch für Mitarbeiter vor, nach dem Arbeitgeber den genehmigten Urlaub zurücknehmen müssen.
Tipp Erscheint ein Mitarbeiter, dem eigentlich Urlaub genehmigt wurde, mit dem Hinweis auf eine nicht angetretene Reise im Betrieb, können Arbeitgeber die angebotene Arbeit natürlich annehmen, sind aber nicht dazu verpflichtet und müssen – falls keine einvernehmliche Lösung erzielt werden kann – eine ablehnende Entscheidung auch nicht näher begründen.
Fragen rund um Kinderbetreuung, Homeoffice und flexible Arbeitszeitmodelle
Schulen und Kitas haben bis auf Weiteres geschlossen. Müssen Mitarbeiter auch bei schwieriger Betreuungssituation zur Arbeit erscheinen?
Selbst in Zeiten des Coronavirus' gilt, dass Eltern die Betreuung ihrer Kinder grundsätzlich selbst organisieren und die sich daraus ergebenden Risiken tragen müssen, auch wenn viele Unternehmen zahlreiche Schritte unternehmen, „Familie und Beruf“ vereinbar zu machen. Eltern müssen zunächst alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um die Betreuung ihrer Kinder anderweitig so sicherzustellen, dass es nicht zu einem Arbeitsausfall kommt. Nur wenn dies objektiv nicht möglich ist, kann ein sog. Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers bestehen.
Seit dem 30. März 2020 gilt ein Entschädigungsanspruch für Verdienstausfälle bei behördlicher Schließung von Schulen und Kitas (neuer § 56 des Infektionsschutzgesetzes). Dies soll Verdienstausfälle bei Sorgeberechtigten mindern, die ihre Kinder bis zum 12. Lebensjahr aufgrund der Schließung selbst betreuen müssen und daher ihrer beruflichen Tätigkeit nicht nachgehen können. Voraussetzung ist, dass die Betroffenen keine anderweitige zumutbare Betreuung (z. B. durch den anderen Elternteil oder die Notbetreuung in den Einrichtungen) realisieren können. Risikogruppen wie z. B. die Großeltern des Kindes müssen dazu nicht herangezogen werden. Ein Verdienstausfall besteht nicht, wenn es andere Möglichkeiten gibt, der Tätigkeit vorübergehend bezahlt fernzubleiben, wie etwa der Abbau von Zeitguthaben oder Homeoffice. Auch gehen Ansprüche auf Kurzarbeitergeld dem Entschädigungsanspruch vor.
Die Entschädigung in Höhe von 67 Prozent des Nettoeinkommens wird für bis zu sechs Wochen gewährt und ist auf einen monatlichen Höchstbetrag von 2.016 EUR begrenzt. Die Auszahlung übernimmt der Arbeitgeber, der bei der zuständigen Landesbehörde einen Erstattungsantrag stellen kann. Die Regelung gilt nicht für Zeiten, in denen die Einrichtung wegen der Schulferien ohnehin geschlossen wäre, und ist befristet bis Ende des Jahres 2020.
Dürfen Arbeitnehmer ihre Kinder mit zur Arbeit bringen?
Betroffene Arbeitnehmer dürfen ihre Kinder mit zur Arbeit bringen, allerdings nur mit dem ausdrücklichen Einverständnis des Arbeitgebers. Sofern diese Möglichkeit, gleich aus welchem Grunde, für Arbeitgeber nicht in Betracht kommt, können sie es ohne weiteres untersagen.
Haben Mitarbeiter einen Anspruch darauf, von zu Hause aus arbeiten zu können?
Sieht man davon ab, dass nicht jede berufliche Tätigkeit mobil oder von zu Hause ausgeführt werden kann, besteht ein solcher Anspruch nur, wenn er arbeitsvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung bzw. Tarifvertrag garantiert ist. Gesetzliche Ansprüche, auch für eine begrenzte Zeit oder aufgrund eines besonderen Ereignisses wie dem Coronavirus, gibt es dagegen nicht.
Durch welche Maßnahmen können übermäßige betriebliche Schwierigkeiten vermieden werden?
Zunächst bieten sich flexible Arbeitszeitmodelle an, um Schwankungen zu vermeiden und um flexibel reagieren zu können. Da es sich aufgrund der unerwarteten Verbreitung des Coronavirus um eine besondere Situation handelt, dürfen Arbeitgeber auch einseitig Überstunden anordnen, wobei der Betriebsrat zuvor zustimmen muss. Aufgrund arbeitsvertraglicher Treuepflicht ist der Arbeitnehmer in dieser besonderen Situation zur Ableistung von Mehrarbeit verpflichtet, natürlich wie immer im Rahmen des Zumutbaren unter Beachtung der persönlichen Situation des Arbeitnehmers. Zu Senkung der Personalkosten können Arbeitgeber zudem Kurzarbeit einführen und Kurzarbeitergeld beantragen, nachdem der Gesetzgeber die Voraussetzungen dafür in der aktuellen Situation erleichtert hat. Auch an dieser Stelle ist der Betriebsrat zu beteiligen.