Präventionskultur im Betrieb

Der Umgang mit Sicherheit und Gesundheitsschutz ist in jedem Unternehmen anders – eine gut funktionierende Präventionskultur ist jedoch wichtig sowohl für Mitarbeiter als auch für Betriebe. BKK Service sprach mit Dr. Britta Schmitt-Howe, der stellvertretenden Leiterin der Gruppe Strukturen und Strategien des Arbeitsschutzes der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).

BKK Service: Frau Dr. Schmitt-Howe, Sie haben eine Studie zum Thema Präventionskultur durchgeführt. Was genau verstehen Sie unter Präventionskultur?

Dr. Britta Schmitt-Howe: Allgemein kann man Präventionskultur als ein Bündel „heimlicher“ oder impliziter Spielregeln zum Umgang mit Sicherheit und Gesundheitsschutz, also mit dem Arbeitsschutz in einem Unternehmen definieren.

BKK Service: In Ihrer Studie haben Sie fünf Typen betrieblicher Präventionskultur identifiziert. Welche sind das?

Dr. Britta Schmitt-Howe: Wir haben Interviews mit Geschäftsführern und Arbeitsschutzexperten aus insgesamt 50 Betrieben geführt. Darunter waren große Konzerne genauso wie kleine Handwerksbetriebe. Wir haben die Betriebe gefragt, wie sie dem Thema „Gefährdungen und Gesundheitsgefahren“ begegnen.

Hier haben wir Betriebe des Typs „Selbstbezug“ gefunden, die sich beim Umgang mit Gefährdungen ausschließlich auf die persönliche Eignung ihrer Mitarbeiter verlassen, während Betriebe des „Kennzahlen“-Typs auf ein systematisches Vorgehen setzen – oft im Rahmen eines Managementsystems. Wieder andere, deren Orientierung wir „Priorität Technik“ genannt haben, fühlen sich sicher, wenn technisch alle Vorkehrungen sicheren Arbeitens getroffen sind. Ganz im Gegensatz dazu gibt es einen Orientierungstyp, den wir als „Mensch im Zentrum“ bezeichnen. In Betrieben dieses oft inhabergeführten Typs gelten die Mitarbeiter als die wichtigste Ressource, aber auch als die Hauptursache für Gesundheits- und Sicherheitsprobleme. Der fünfte und seltenste Typ schließlich, den wir „Eigene Kultur“ genannt haben, zeichnet sich dadurch aus, dass auch im Arbeitsschutz gilt: „Wer aufhört besser zu werden, hört auf gut zu sein.“ Dementsprechend werden z.B. Beinahe-Unfälle intensiv kommuniziert und analysiert.

BKK Service: Aber was folgt aus der Einteilung in die verschiedenen Typen? Was ist der Nutzen für die Betriebe?

Dr. Britta Schmitt-Howe: Wenn Betriebe sich selbst einem Typ zuordnen können, wissen sie, wo ihre „blinden Flecken“ liegen und auf welche Felder von Sicherheit und Gesundheitsschutz sie verstärkt ihr Augenmerk richten sollten. Denn im Arbeitsschutz muss es darum gehen, möglichst umfassend Prävention zu betreiben – sowohl was die technische als auch was die Seite des Verhaltens und der psychischen Belastungen betrifft.

BKK Service: Erfolgt die Einführung einer Präventionskultur nur mithilfe von Aufsichts-diensten und Arbeitsschutzexperten?

Dr. Britta Schmitt-Howe: Nein. Ich würde sogar sagen, die Aufsichtsdienste haben an der Entwicklung bzw. Weiterentwicklung einer betrieblichen Präventionskultur v.a. in kleinen und mittleren Betrieben nur geringen Anteil. Die Initiative muss vom Betrieb selbst ausgehen, möglichst von der obersten Führungsebene. Denn was sie vorlebt, zeigt Wirkung bei den Mitarbeitern.

BKK Service: Wie sensibilisiere ich die Belegschaft für den Gesundheits- und Arbeitsschutz?

Es ist wichtig, unerwünschtes Verhalten genau zu benennen, dabei aber auch immer danach zu fragen, warum sich die Beschäftigten so verhalten. Sicherheits- und Gesundheitsthemen sollte ein fester Tagesordnungspunkt in allen Teambesprechungen und Betriebsversammlungen eingeräumt werden. Dann müssen Ziele sowohl für die Verhaltens- als auch für die Verhältnisprävention aufgestellt werden. Es muss klar gemacht werden, dass der Respekt vor konkreten Sicherheits- und Gesundheitswerten dazu gehört, wenn man Mitarbeiter der jeweiligen Firma sein will. Dazu gehört aber auch eine offene Fehlerkultur. Das heißt, dass Beschäftigte nicht fürchten müssen, sanktioniert zu werden, wenn sie Beinahe-Unfälle melden.

BKK Service: Was sind die Vorteile einer guten Präventionskultur?

Dr. Britta Schmitt-Howe: Mit einer umfassende Präventionskultur können der Krankenstand verringert und dadurch Kosten gespart werden. Wenn es dem Arbeitgeber gelingt, durch eigenes Beispiel und offenen Dialog mit den Beschäftigten erhöhte Achtsamkeit für Sicherheit und Gesundheitsschutz in seinem Betrieb zu etablieren, zahlt sich dies nicht nur durch zurückgehende Unfallzahlen, sondern auch durch ein besseres Betriebsklima und eine verstärkte Mitarbeiterbindung aus. Denn eine umfassende Präventionskultur wird von den Beschäftigten auch als Wertschätzung erlebt.

BKK Service: Frau Dr. Schmitt-Howe, vielen Dank für dieses Gespräch.

Dr. Britta Schmitt-Howe, BAuA