Arbeitszeiterfassung bereits Pflicht?

Arbeitsgerichte schneller als Arbeitsministerium

Nach § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) wird vom Arbeitgeber bislang nur verlangt, die über die regelmäßige Arbeitszeit von acht Stunden hinausgehenden Arbeitszeiten zu erfassen und zudem ein Verzeichnis der Mitarbeiter zu führen, die sich schriftlich zu regelmäßiger Mehrarbeit bereit erklärt haben. Hingegen sieht das ArbZG nicht vor, dass die persönliche Arbeitszeit aller Mitarbeiter generell erfasst oder gespeichert werden muss. Im Gegenteil, Arbeitszeitmodelle wie Vertrauensarbeitszeit setzen darauf, dass Arbeitszeit eben nicht auf die Minute genau erfasst wird.

Genau darin könnte jedoch ein Verstoß gegen Art. 31 Abs. 2 EU-grundrechte-Charta (GRCh) liegen, die zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit aller Beschäftigten verpflichtet.

Arbeitsgerichte schneller als Arbeitsministerium

Das Arbeitsgericht (ArbG) Emden hat im Februar das erste bekannte Urteil auf der Grundlage der Entscheidung des EuGH gefällt (Urteil vom 20. 2. 2020, 2 Ca 94/19).

Im Ausgangsfall machte ein Bauhelfer Vergütungsansprüche aus seiner Beschäftigungszeit geltend. Dem Arbeitsverhältnis lag ein mündlicher Arbeitsvertrag zugrunde. Der Kläger begründete seinen Vergütungsanspruch mit einer selbst geführten Auflistung seiner Arbeitsstunden. Der beklagte Arbeitgeber bestritt die Richtigkeit der Stundenauflistung und berief sich auf sein Bautagebuch, kam damit aber beim Arbeitsgericht nicht durch.

In der Urteilsbegründung heißt es, dass ein Arbeitnehmer zunächst vortragen und darlegen müsse, an welchen Tagen er von wann bis wann gearbeitet habe. Danach sei es Sache des Arbeitgebers, den Vortrag des Arbeitnehmers zu widerlegen und darzulegen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen habe und an welchen Tagen dieser von wann bis wann gearbeitet habe.

Genau an dieser Stelle liegt für Arbeitgeber das Problem, wenn sie die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter nicht erfassen: Während es für den Mitarbeiter mangels anderer Möglichkeiten ausreichen soll, eigene Aufzeichnungen seiner abgeleisteten Arbeitszeiten vorzulegen, verstoßen Arbeitgeber – jedenfalls nach Ansicht des ArbG Emden – gegen ihre Verpflichtung zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit. Die Führung eines Bautagebuches oder ähnlicher Verzeichnisse soll nämlich kein Ersatz für eine objektive Arbeitszeiterfassung sein.